Karl der Große – Das Kaisertum wird neu erfunden
Karl entstammt einer Aufsteigerfamilie. Sein Vater Pippin lässt 751 mit Zustimmung des Papstes und des Adels den letzten fränkischen König aus dem Geschlecht der Merowinger absetzen; fortan herrschen die Karolinger. Als Zwanzigjähriger tritt Karl 768 die Nachfolge seines Vaters an, zusammen mit seinem jüngeren Bruder Karlmann. Doch Karl will mehr und kennt keine Skrupel: Nach Konflikten mit seinem Bruder sichert er sich nach dessen überraschendem Tod die Herrschaft des Gesamtreichs. Seine Schwägerin und seine beiden Neffen bringt er in seine Gewalt und lässt sie verschwinden. Das gleiche Schicksal trifft seinen Schwiegervater, den König der Langobarden, sowie seinen Vetter Tassilo III., den Herzog von Bayern: Beide werden entmachtet und mit ihrer Familie in ein Kloster eingewiesen.
Karl der Große – Der erste westliche Kaiser seit der Antike
Vor Karl dem Großen gibt es im westlichen Europa viele Könige, aber keinen Kaiser. Die Nachfolger der antiken römischen Kaiser regieren vielmehr von Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, aus. Karl begründet 800 ein neues Kaisertum im westlichen, lateinischen Europa. Dazu geht er ein Bündnis mit dem Papst ein und lässt sich von diesem in Rom krönen. Der Nachfolger des Apostelfürsten Petrus wird so zum Kaisermacher. Der Kaisertitel bringt keine neuen Besitzungen, wohl aber eine ideelle Vorrangstellung gegenüber den anderen Königen. Karl tritt in die Tradition der antiken Kaiser ein und besiegelt so den Aufstieg des Frankenreichs zur Großmacht.
Goldmünze Kaiser Karls des Großen
Ingelheim, 800–814, Gold
Mainz, GDKE, Landesarchäologie, Außenstelle Mainz
+ D(ominus) N(oster) KARLVS IMP(erator) AVG(ustus) REX F(rancorum) ET L(angobardorum) / + ARELATO
„+ Unser Herr Karl Kaiser Augustus König der Franken und Langobarden“ / „Arles“
Die in Arles im heutigen Südfrankreich geprägte Münze wurde 1996 bei Ausgrabungen in der Ingelheimer Kaiserpfalz gefunden. Auf der Vorderseite ist ein stark stilisiertes Brustbild mit Lorbeerkranz und Feldherrnmantel (paludamentum) wiedergegeben, das sich an römischen Vorbildern orientieren dürfte. Aus der Zeit Karls des Großen sind nur sehr wenige Goldmünzen bekannt. Die Ingelheimer Münze ist dabei ein Unikat, da sie bislang als einzige die Kaisertitulatur zeigt.
Das Video wird durch Klick/Touch aktiviert. Wir weisen darauf hin, dass nach der Aktivierung Daten an den jeweiligen Anbieter übermittelt werden.
Mit Kreuz und Schwert – Das Reich wächst
Christlicher Glaube und Gewalt sind für Karl kein Widerspruch. Im jahrzehntelangen Kampf gegen die Sachsen müssen die Besiegten ihren germanischen Göttern abschwören und die Taufe empfangen. Missionare kommen ins Land, eine Kirchenstruktur wird aufgebaut. Auf die wiederholten Aufstände reagiert Karl mit massenhaften Hinrichtungen und Zwangsumsiedlungen, aber auch mit einer Anerkennung des sächsischen Volksrechts. Gegenüber den heidnischen Awaren im Südosten ist das Ziel hingegen nicht Eroberung und Missionierung: Dieses Volk wird fast vollständig vernichtet.
Mainzer Geiselverzeichnis
Reichenau, um 805/806, Pergament
St. Paul im Lavanttal, Museum im Benediktinerstift St. Paul (A)
Das Stellen von Geiseln war ein Mittel der Friedenssicherung und des Machterhalts. Während der Sachsenkriege wurden politische Führer oder Mitglieder bedeutender Familien als Geiseln in Klöster gegeben. Das Mainzer Geiselverzeichnis enthält die Namen von 37 Sachsen, geordnet nach ihrer Zugehörigkeit zu den Westfalen, Ostfalen und Engern. Karl der Große übergab die genannten Personen an Waldo, den Abt des Benediktinerklosters Reichenau.
Klicken Sie, um das Audio zum Objekt zu hören!
Das Audio wird durch Klick/Touch aktiviert. Wir weisen darauf hin, dass nach der Aktivierung Daten an den jeweiligen Anbieter übermittelt werden.
Der Raum am Rhein – Im Herzen des Reichs
Je weiter sich das fränkische Reich ausdehnt, desto mehr wird der Raum am Rhein zum Herrschaftszentrum. Hier fördert Karl der Große Klöster und Bistümer, baut Königspfalzen, hält Hoftage und sammelt sein Heer für Feldzüge. Hier sichern umfangreicher Grundbesitz und fruchtbares Land die Versorgung des Hofs. Hier liegt seine Lieblingsresidenz Aachen, wo er Gesandte aus fernen Ländern empfängt. An die Spitze der neu gegliederten Kirche stellt er die Erzbistümer Mainz, Köln und Trier, denen die anderen Bistümer untergeordnet werden.
Mainz – Aufstieg zum kirchlichen Machtzentrum
Der Aufstieg von Mainz zum kirchlichen Zentrum beginnt mit der von Bonifatius (gest. 754) betriebenen Mission. Unter Karl dem Großen wird Mainz zum größten Erzbistum der lateinischen Christenheit. Es reicht vom Bistum Verden im Norden über Halberstadt und Eichstädt im Osten bis nach Konstanz und Chur im Süden. In Mainz gibt es zahlreiche Kirchen und Klöster. Das neu gegründete Kloster St. Alban wird zum Ort wichtiger Synoden.
Herausragende Zeugnisse vom Mainzer Albansberg
Mainz, St. Alban, 7. Jahrhundert, Kalkstein
Mainz, GDKE, Landesmuseum Mainz
+ IN HVNC TITVLVM RE / QVIISCIT BENE MEMO / RIVS BADEGISELVS / PRESBITER QVI VIXIT / IN PACI ANNVS / XXXXX FELICITER
„+ In diesem Grab ruht der Priester Badegisel seligen Angedenkens, der 50 Jahre in Frieden lebte. Glück!“
Der Grabstein bezeugt zusammen mit einem weiteren für den Abt Pertram bereits für die vorkarolingische Zeit eine geistliche Gemeinschaft auf dem Mainzer Albansberg. Außerhalb der Siedlung gelegen, befanden sich dort zwei Friedhöfe, auf denen man Christen bestattete. Unter Karl dem Großen wurde an dieser Stelle ein Kloster mit der Kirche St. Alban errichtet, die 805 geweiht wurde. Sie zählte zu den größten Kirchenbauten und wichtigsten geistlichen Zentren ihrer Zeit.
Mainz, St. Alban, 9. Jahrhundert, Kalkstein
Mainz, GDKE, Landesmuseum Mainz
Von der reichen Innenausstattung der karolingerzeitlichen Kirche St. Alban haben sich nur wenige Reste erhalten. Dazu zählt dieser Pfosten mit Blattranke, auf dem noch rote und weiße Farbreste erhalten sind. Er gehörte zu einer Schrankenanlage, die den Altarraum vom Laienbereich trennte.
Mainz, Albansschanze, 40–70 n.Chr., Bronze
Wiesbaden, Stiftung Stadtmuseum Wiesbaden, Sammlung Nassauischer Altertümer
Der ursprüngliche Aufstellungsort der kostbaren frührömischen Bronzetür ist nicht bekannt. Aufgrund ihres Fundortes auf dem Mainzer Albansberg ist jedoch nicht auszuschließen, dass sie in der Klosterkirche St. Alban im Zuge der repräsentativen Neuausstattung in karolingischer Zeit dort wiederverwendet wurde.
Bodenseeraum (Reichenau?), Ende 9. Jahrhundert, Pergament
Mainz, Martinusbibliothek – Wissenschaftliche Diözesanbibliothek, Hs. 1
Sakramentare enthalten die vom geistlichen während der Messe zu sprechenden Gebetstexte. Neben weiteren liturgischen Handschriften waren sie die Grundlage für einen geregelten Ablauf des Gottesdiensts. Bedeutende Kirchen wie St. Alban in Mainz besaßen besonders kostbar ausgestattete Handschriften wie dieses Sakramentar.
Mainz um 800
Die Ansiedlung innerhalb des römischen Mauerrings ist von einem breiten, landwirtschaftlich genutzten Grüngürtel umgeben. Außerhalb der Mauern liegen die Händlerviertel am Rhein sowie im Süden das Kloster St. Alban. Im Stadtbild fallen vereinzelt noch größere römische Ruinen wie etwa das römische Theater auf.
Im Video sehen Sie eine teils quellenbasierte, teils hypothetische Rekonstruktion.
© AI Mainz und GDKE
Das Video wird durch Klick/Touch aktiviert. Wir weisen darauf hin, dass nach der Aktivierung Daten an den jeweiligen Anbieter übermittelt werden.
Reisekaiser – Unterwegs für das Reich
Karls riesiges Reich erstreckt sich von der Nordsee bis nach Rom und von den Pyrenäen bis zur Elbe. Es umfasst etwa eine Million km², hat 180 Bistümer, 700 Abteien und 150 königliche Pfalzen. Hier leben etwa acht Millionen Menschen, die meisten auf dem Land; kaum eine Stadt hat über 10.000 Einwohner.
Als Herrscher zu Pferd regiert Karl wie seine Nachfolger aus dem Sattel: Stets zieht er mit seinem Hof umher und gewährleistet so dessen Versorgung. Hierdurch ist der Kaiser immer vor Ort präsent: Er kontrolliert seine Amtsträger, spricht Recht und berät sich auf Hoftagen mit den Großen des Reichs. Erst in den letzten zwei Jahrzehnten wird Aachen zumindest für die Wintermonate zur dauerhaften Residenz.
Der Kaiser zu Pferd (Kopie)
Metz, um 870, Bronze
Paris, Musée du Louvre, Département des Objets d’art (F)
Das frühmittelalterliche Kaisertum war von hoher Mobilität geprägt. Die Reiterstatuette aus dem Metzer Domschatz zeigt einen karolingischen Herrscher; vielleicht Karl den Großen, wahrscheinlicher aber seinen Enkel Karl „den Kahlen“. Typisch für die Zeit und den Modegeschmack trägt er Wickelgamaschen und den fränkischen Schnurrbart.
Einheit als Programm – Herrschaft über das Reich
Die Welt, die Karl der Große vorfindet, ist vielfältig und ungeordnet. Er dagegen strebt nach Einheitlichkeit. Diese soll vor allem dem Glauben dienen: Korrekte Texte, einheitliche Liturgie und Zeitrechnung, gut ausgebildete Priester, verständliche Predigt in der Volkssprache.
Das Erneuerungsprogramm ist umfassend. Die Bildung wird reformiert und die Wissenschaft gefördert. Antikes Wissen wird gesichert und verbreitet. Eine neue Schrift entsteht, Recht wird aufgezeichnet, neue Münzen werden geprägt.
Die Reformen des Kaisers
Mainz (?), Anfang 9. Jahrhundert, Pergament
Trier, Stadtbibliothek Trier
Mit der 789 erlassenen „Allgemeinen Ermahnung“ (Admonitio generalis) fasst Karl der Große eine Reihe seiner Reformansätze programmatisch zusammen. Er wollte die fränkische Gesellschaft auf christlicher Grundlage völlig neu organisieren. Sein Mahnschreiben rief Bischöfe, Klerus, weltliche Würdenträger und das fränkische Volk zur Einhaltung dieses Programms auf.
Das Highlight: Das Ada Evangeliar – Ein Meisterwerk aus der kaiserlichen Hofschule
Hofschule Karls der Großen (Aachen), 795/810, Pergament
Trier, Stadtbibliothek Trier
In der Hofschule Karls des Großen mit den führenden Gelehrten und Künstlern der Zeit entstand eine Reihe prachtvoller liturgischer Handschriften. Das sog. Ada-Evangeliar gilt als das Hauptwerk und enthält die Texte der vier mit Goldtinte geschriebenen Evangelien. Neben den ganzseitigen Darstellungen der Evangelisten Markus, Matthäus, Johannes und Lukas sind Zierseiten mit prachtvoll gestalteten Initialen sowie zehn Kanontafeln auf höchstem künstlerischem Niveau wiedergegeben. Die hier aufgeschlagenen Seiten zeigen links den Evangelisten Matthäus mit Buch und Schreibgerät. Rechts beginnt eine Genealogie, eine Auflistung der Vorväter Jesu, deren Anfangsbuchstaben und Seitenränder kunstvoll verziert sind. Die Stifterin des Evangeliars Ada war eine Adlige geistlichen Stands, die über gute Beziehungen zum karolingischen Hof verfügte.
Digitale Kurzführung: Thomas Metz präsentiert das Ada-Evangeliar
Das Video wird durch Klick/Touch aktiviert. Wir weisen darauf hin, dass nach der Aktivierung Daten an den jeweiligen Anbieter übermittelt werden.